Slam Reisetagebuch: 7 Tage 7 Slams: Bochum, Köln, Berlin…

3. März: Slam 1 – Bochum
Habe gestern meine kleine Reise durch Deutschlands Slamlandschaft gezündet, die mich nach Bochum, Köln, Berlin, Schweinfurt und wieder Berlin führen wird. Bereits in Wien am Flughafen kam es zu ersten, kreativen Geplänkel. Da der Bus vom Gate zum Flugzeug ziemlich voll war, verlor der nette Herr um Mitte 60 neben mit die Nerven und meinte er müsse mich im Bus mehrmals anrempeln. Nach so etwa dem 8. Ellenbogen in meinen Rippen, schaute ich ihm tief in die Augen und sagte: „Es gibt nur eine Sache, die schlimmer ist, als ein dummes Stück Scheisse: Ein dummes Stück Scheisse in Pension.”
Im Flieger saß ich dann zum ersten Mal im meinem Leben neben einem Passagier mit Flugangst. Er borgte sich von mir einen Bleistift aus und meinte er bräuchte den eben für Schreibübungen gegen Flugangst. Er meinte ziemlich bleich Flugangst sei recht unangenehm und ob auch ich Ängste hätte. Ich sagte ja, aber nicht vorm Fliegen. Ich fürchte mich vor Pilzsoßen, Jesuspatscherln, Cholerikern in Machtpositionen und Haxenbrecherschnee. Aber nicht vorm Fliegen. Davor fürchten sich nur Warmduscher und Lulus. Dann setzte ich meine Schlafbrille auf und träumte tief bis zur Landung.
Sebastian 23 hat mich dann am Bahnhof in Bochum abgeholt, bewirtet, gefüttert, gebadet und trockengelegt. Das war schön, danke Sebastian für deine tolle Gastfreundschaft, um Felix Römer zu zitieren: „Du warst wie eine Mutter zu mir.”
Der Slam im Freibeuter war suba, ca. 120 Leute kamen vorbei, ich bin nach einem harten Battle über 3 Runden mit Andy Weber im Stechen 2.er geworden. Teilgenommen haben noch Sushi in voller Fahrt, Florian Cisjlek, die anderen Namen habe ich mir peinlicherweise nicht gemerkt, mea Culpa dear friends.
Bochums Fußgängerzone vor Sebastians Haus ist ein Multikultischmelzofen für Kulturen und solche die es noch werden wollen. So gibt es dort etwa belgische French Fries mit 97 verschiedenen Soßen, die von Curry über Pil-Pil bis zu Marzipan/Vanille reichen. Auf jeden komm ich da gern wieder vorbei, schon allein weil Sebastian einfach so mal Monthy Pythons Folgen vorspielt und außerdem den gegenübersten Kaffee der gesamten Slamtour macht.
Heute geht’s weiter nach Köln zu Christian Bartels Slam aber ohne Christian. Dafür gehen wir morgen mit Christian dann zunächst golfen, dann kaufen wir ein paar Aktienmehrheiten von Nokia und machen das Werk in Bochum wieder auf und dann fahren wir noch ein paar Maseratis zu Schrott. Slam Poeten haben eben ein richtig schönes, fettes Leben und eine blühende Phantasie.


5. März: Slam 2 & 3 – Köln & Berlin

Den Slam im Sonic Ballroom (Köln) am 4.3. hab ich fast verpasst. Denn da ich unvorsichtigerweise dem Taxler vertraute den Weg dorthin zu kennen, sind wir unter lautem „Scheissestrasse” Kommentaren des Lenkers from hell so 1 h im Kreis gefahren. Mit abgedrehtem Tacho, aber mit hochgeschraubtem Eskalationsmoment. „Fuck” sagte der Taxler, „ich bin hier schon 100 Mal gewesen!” Ich weiß nicht ob er meinte, dass es mich beruhigen würde zu wissen, dass er hier schon 100 Mal und sich immer noch nicht auskennt, aber ich wagte nicht zu wiedersprechen, so unbewaffnet wie ich war.
„Scheissestrasse, Scheissestrasse, fick, gibt’s ja nicht!”, tönte es vom Lenkrad.
„Schalten sie doch das Navi ein.” Meldete ich mich von der Rückbank, mit beiden Rückbankgürtel angeschnallt.
„Das ist im Arsch das Scheissenavi. Scheissenavi, Scheissestrasse, fuckscheisse!”
Zu erwähnen ist, dass wir außerdem um einen großen Friedhof kreisten. Plötzlich sagte der Taxler: „Ah ich weiß! Ich muß rechts rein vor dem Friedhof! Warum bin ich da immer vorbeigefahren?”
„Vielleicht die natürliche Angst vor dem Tod.” warf ich ein. Als keine Reaktion kam fügte ich rasch noch „Scheissetod, Fuckfriedhof.” hinzu.
„Genau! Scheissefriedhofskurve, Scheisseangst!” sagte der Taxler. Wir verstanden einander wie Brüder.
Ach ja, beim Slam bin ich wieder 2.er geworden, war ein sehr netter Slam mit vielen Rosen und Frauen die mich mit Rosen beworfen haben. War eine ganz neue Erfahrung, ich verstehe nun warum man Frauen Blumen schenkt, da komme gerne wieder nach Köln, Scheissetaxi ist schon reserviert.
Und dann schon wieder abgedüst nach Berlin ins Kato Kreuzberg zu Kolja Reichert, der dieses Mal für den Mexikoreisenden Marc-Uwe Kling übernommen hat. Klingt irgendwie wie ein hostile takeover jetzt, aber vielleicht habe ich nur zu wenig geschlafen.
Auf jeden Fall war der Slam im Kato sehr, sehr laut. Viel junges Publikum, saßen auch auf und hinter der Bühne, Mörderstimmung, es trat sogar eine 11-jährige an! Jetzt ists aber wirklich Zeit für einen Ü-30 Slam, meine ich, fürs Finale hat es diesmal leider nicht gereicht, mal schauen was heute beim Potslam geht, ich werde mich einfach als 18 ausgeben und in kurzen Hosen auftreten.

6. März: Slam 4 Berlin/Potsdam (erster öst. Slamgewinn dort!)
Also das mit den kurzen Hosen hat funktioniert. Ich habe den Potslam gestern vor Udo Tiffert und Andrè im Stechen gewonnen. Der Pot ging damit erstmals nach Österreich!
Nach dem Slam sind wir gleich wieder auf den Zug retour nach Berlin, davor noch einen Stop beim McDonalds wo sich jemand noch einen Milchshake nach den ganzen Bieren reingezogen hat. Ich sage nicht wer das war, aber ich dachte zunächst wirklich, Kolja macht einen Joke.
Auf jeden Fall streiken die U-Bahnen in Berlin. Wenn schon Deutsche streiken, dann ist die Kacke aber richtig am Dampfen. Und apropos Dampfen. Auch die Müllabfuhr streikt in Berlin. Das ist wirklich teuflisch und trägt wenig zur Stimmung bei. Verständlich, schliesslich kann man jetzt weder den Müll wegwerfen, noch von zu Hause wegfahren. Ich nenne das Multiplikatorstreik. Rein logistisch müsste man jetzt noch die Taxipreise erhöhen und die Wasserversorgung abdrehen. Und dazu noch das Land flächendeckend mit österreichischen Kolumnisten versorgen, die dumme Kommentare schreiben.
Na bumm mach mich der Zug schläfrig. Bin auf jeden schon gespannt auf die Dichterschlachtschüssel in Schweinfurt, das LineUp dort gleicht fast schon einem National-Finale. Das wird schön und brutal, heftig und lauschig, es werden Götter gezeugt und Helden geboren und es gibt Pommers mit Mayo!

7.März: Slam 5: Schweinfurt, nach dem Slam
Schweinfurt ist anders. Anders zum Beispiel als ein Vanillekipferl, ein Urlaub auf Hawaii oder Frühstück im Bett. Das alles ist Schweinfurt nicht. Ich habe von diesem Slam eher eine zweigeteilte, mehrgeschlechtliche Meinung mitgenommen. OK, dass ich wieder mal als erster drankam, dafür kann jetzt, auch wenn ich mich sehr bemühe Schuldige zu finden, keiner was. Trotzdem muß ich ventilieren, dass ich jetzt in Zürich (Schiffbau), Schaffhausen, Luzern, Kato (Gruppenbeginn) und eben Schweinfurt als erster drankam. Ich habs mal in Zahlen gegossen: Seit November bin ich bei fast 60% aller Slams als erster angetreten. Ich hoffe Guiness Book liest mit, ich glaub das hat vor mir noch keiner zusammengezaubert.
Anywho, als erster in Schweinfurt anzutreten war bitte einfach oasch mit Zucker. Nicht nur war es totenstill, durch die Blendelichter hatte ich streckenweise das Gefühl, ich wäre allein im Raum. Ich wollte mich dann schon wie zu Hause entspannen und am Arsch kratzen, aber Bühnenprofi wie ich bin, lies ich die Hände am Text.
Offenbar haben die Leute aber mächtig nach Innen gelacht (thanx an das Pulikum an dieser Stelle, der Glaubenstext kam für euch sicherlich überraschend), denn bei der Endbewertung war ich vor so starken Poeten wie z.B. Lars Ruppel, Wolf Hogekamp, Grohacke und Felix Römer. Das ist natürlich sehr schmeichelhaft, fürs 3-er Finale (aus 14) hat’s aber nicht gereicht. Außerdem muß man zu Felix Römer anmerken, dass sein Großvatergedicht eisenhart von der Überziehungsmusik abgewürgt wurde und zwar wirklich einen Atemschlag vor dem letzten Satz. Das war dann wieder so eine komische Aktion, die zum gemischten Gefühl beigetragen hat. Gewonnen hat dann verdienterweise Sebastian 23, vor Julius Fischer und Mischa.
Well, jetzt geht´s dann wieder zurück nach Berlin zum Wehwalt seinem Slam im Rosi´s. Ersten Gerüchten zu Folge fahren die U-Bahnen dort immer noch nicht, den Müll muß man glaub ich auch an der Landesgrenze abgeben, oder 2 Tage lang einfach keinen Dreck machen. Hilfe.

11.März: Slam 6: Berlin Rosis
Uh jetzt bin ich spät mit Blog. Damn. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, aber im Bett ist das garantiert kein Nachteil.
Anywho, im Rosis bin ich Zweiter geworden, das macht dann 6 Slams, 3 zweite und 1 erster Platz in 6 Tagen, ich sag mal das is ned schlecht ned (Schulterklopf), hab eine Menge schräger & subanetter Leute getroffen und beleidigt, bitte nehmt das nicht ernst, ist nur Kunst, genauso wie die Überschrift des Blogs, es waren natürlich 7 Tage 6 Slams, aber das klingt einfach nicht so gut, Marketing ist ja auch die Kunst der Überraschung und deswegen sage ich nicht sorry sondern

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Elwood Loud

Veröffentlicht von

Kabarettist, Slam Poet, Autor, Sieger der Wiener Qualifikation für den GIPS 2007, erster öster. Poetry Slam Sieger in CH, in Berlin und in Potsdam, Veranstalter des Poetry Slam Cups Wien.

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